„Wenn beschossenes Wild bergauf flieht, kann es nicht ernstlich verletzt sein.“ Stimmt das?

Als Jäger tragen wir eine hohe Verantwortung. Wir besitzen das Privileg Wild töten zu dürfen, weil wir mit der Wildpretnutzung einen vernünftigen Grund dafür haben. Das fachgerechte Töten von Wildtieren mit der Schusswaffe ist auch aus Tierschutzgründen der Massentierhaltung und dem Stress bei Transport und Schlachtung vorzuziehen. In besonderem Maße kommt unsere Verantwortung zum Tragen, wenn der Schuss nicht so trifft, wie er treffen sollte. Hier ist es das Gebot der Waidgerechtigkeit, der Jagdethik, des Tierschutzes, des Mitgefühls gegenüber Lebewesen oder wie auch immer der Einzelne das bezeichnet, dafür Sorge zu tragen, dass das verletzte Tier von seinen Leiden erlöst wird.

In der Praxis heißt das, eine Nachsuche mit Hund durchzuführen. In vielen Fällen bringt das Erfolg. Oft wird das kurz nach dem Schuss verendete Tier aufgefunden und das Wildpret kann verwertet werden. Dem Tierschutz ist hier genüge getan, weil sichergestellt ist, dass das beschossene Stück nicht leiden muss. Völlig anders stellt sich die Stuation dar, wenn man zwar Schweiß findet, aber nicht zum Stück kommt. Das Finden von Schweiß ist ein sicheres Zeichen dafür, dass das Stück getroffen wurde. Nicht immer ist dabei klar, wo der Treffer lag. In der Nachsuchepraxis begegnen mir hier immer wieder die gleichen Theorien:

– es gibt nur wenig Schweiß. Die Verletzung ist nur oberflächlich
– das Tier ist bergauf geflüchtet. Der Treffer kann nicht so schlimm sein

Fakt ist, dass beschossene Stücke in alle Richtungen flüchten können. Selbst steil bergauf! Auch die Schweißmenge lässt keine zuverlässigen Aussagen über die Schwere der Verletzung zu. Gerade der “Bergauf-Irrtum” ist in der Jägerschaft weit verbreitet.

Wer aus der Fluchtrichtung oder der Schweißmenge darauf schließt, dass das beschossene Stück nicht ernsthaft verletzt ist, macht es sich zu einfach. Gewissheit gibt es nur, wenn man das Stück findet. Alles andere sind Vermutungen.Eine Nachsuche abzubrechen, weil das Stück bergauf geflüchtet ist, oder die Schweißmenge immer weniger wird, ist falsch. Es kommt darauf an, alles Machbare zu versuchen, um ans Stück zu kommen.

Für die Praxis gibt es hier eine ganz einfache Regel: Findet man trotz Schweiß auch mit Hund nicht zum Stück, ist in jedem Falle ein professionelles Gespann anzufordern. Mit dem Einsatz eines zweiten Hundes wird man seiner jagdlichen Verantwortung gerecht und kann mit gutem Gewissen für sich in Anspruch nehmen, alles Machbare versucht zu haben.